The Young Master
Deutscher Titel: Meister aller Klassen
Originaltitel: Shi di chu ma
Englischer Titel: The Young Master
Erstveröffentlichung: 1980
Deutsche Erstveröffentlichung: 1988 (VHS-Video)
Laufzeit: 106 Min. (HK-Kinofassung)
Empfohlene Heimversion: UK-Blu-ray von 88 Films. Alle drei offiziellen Schnittfassungen des Films sind enthalten (Die HK-Kinofassung ist die längste und beste), sowie viel interessantes Bonusmaterial.
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So, meine Lieben, jetzt geht’s aber richtig los. Jackies 1980er-Output hat die größte Dichte an All-Time-Klassikern. Es war sein bestes und erfolgreichstes Jahrzehnt und Jackie war sowohl kreativ als auch körperlich am Höhepunkt seiner Schaffenskraft. 1980 gab The Young Master den Startschuss, und was für einen!

Die besten Freunde „Dragon“ (Jackie) und der ältere „Tiger“ leben in einer Kampfkunstschule. Dessen strenger, aber großzügiger Meister nahm die beiden einst als Waisen auf, lies sie entgeltlos bei sich wohnen und essen und unterrichtete sie in Kung Fu. Im Gegensatz zu seinem korrekten und anständigen „Bruder“ ist Tiger ein Schlingel, der im Dunkel der Nacht Prostituierte in die Schule einlädt. Was aber noch schwerwiegender ist: Kurz vor dem prestigeträchtigen, alljährlichen Löwentanz-Wettbewerb täuscht Tiger eine Verletzung vor und kämpft unter der großen Löwenmaske für die Konkurrenz gegen Dragon, der statt ihm einspringt. Nur der Sieg zählt, aber Dragon hält sich im Kampf gegen seinen Freund zurück und hilft ihm sogar, wodurch Tiger gewinnt. Dieser hatte eine Abmachung mit der Wai-Yee-Hall, einem Clan voller Gauner und Betrüger. Der Wettbetrug ging auf und Tiger geht mit einigem Geld nach Hause, wo er weiter den Verletzten spielt. Als der alte Meister, ohnehin enttäuscht über die Niederlage, den Verrat erkennt, gerät er in Rage und Tiger läuft beschämt davon.

Der Meister ist enttäuscht, dass er seinen angeblich besten Schüler verlor, den er wie ein Vater gefördert und trainiert hat. Obendrein wird er in der Öffentlichkeit eines Gasthauses lächerlich gemacht und gedemütigt. Das wichtigste für eine Kampfkunstschule ist der Ruf, und dieser ist nun im Eimer. Zu Hause schimpft, schikaniert und demütigt der Meister seine Schüler, bis Dragon sein Herz in die Hand nimmt und in einer hochemotionalen Rede den Meister vor allen kritisiert. Er will ebenso weglaufen und Tiger finden. Der Meister besinnt sich und bittet Dragon, Tiger wieder zurückzubringen.

Dieser verdient sich sein Geld zum Überleben immer noch damit, dass er für den Wai-Yee-Clan arbeitet. Der teuflische Meister des Clans, Kam, wird bei einem Gefangenentransport mit etlichen Polizisten von seinen Leuten und Tiger befreit. Als einer der besiegten Polizisten Tigers weißen Fächer sieht, wird eine Fahndung ausgegeben für einen Mann mit einem großen, weißen Fächer. Mit genau so einem ist Dragon unterwegs, während er in der Stadt nach Tiger sucht. So kommt es zu Verwechslungen, Konflikten und Kämpfen. Schließlich will Dragon den ultragefährlichen Kam besiegen und festnehmen, um so die Schuld von Tiger zu tilgen.

The Young Master war ein großer und wichtiger Wendepunkt für Jackie. Unter Golden Harvest sollten von nun an seine größten und besten Filme entstehen. Bei Lo Wei bekam Jackie zunächst 3000 HK-Dollar pro Film. Nach dem Erfolg von Snake in the Eagle’s Shadow und Drunken Master unter Seasonal Films erhöhte Lo auf das Doppelte und kam sich dabei noch großzügig vor. Natürlich wollten von nun an auch andere Studios Jackie haben. Golden Harvest bot seinem Manager zunächst eine Million HK-Dollar an, um den neuen Goldjungen exklusiv unter Vertrag zu nehmen. Später wurde das Angebot auf 4,2 Mio. erhöht. Shaw Brothers hätte sogar 5 Mio. hingelegt. Jackie entschied sich für Golden Harvest, da diese bestimmt versuchen würden, den asiatischen Megastar auch in den USA und Europa zu etablieren (Was sie dann auch taten). Jackie durfte die Geschichte von The Young Master schreiben und zum zweiten Mal Regie führen. Golden Harvest legte nicht nur ordentlich viel Geld auf den Tisch, sondern ließ ihm auch enorm viel Freiheit und gaben ihm so viel Drehzeit, wie er wollte. Jackie war die Verantwortung bewusst und er wollte sich unbedingt beweisen, was er auch geschafft hat. Herausgekommen ist ein waschechter Event-Film und einer der unterhaltsamsten asiatischen Filme aller Zeiten, der in keiner Jackie Chan Top-10-Liste fehlten darf. Sowohl in Hongkong als auch Südkorea war The Young Master der erfolgreichste Film des Jahres.

Die dünne Handlung ist mehr oder weniger nur ein Gerüst, auf das Jackie seine Action-set pieces hängt, von denen eines spektakulärer ist als das nächste. Vom einleitenden Löwentanz über einen wunderschönen Schwertkampf, einem Kampf mit kleinen Holzbänken, bis zu einem Torero-inspirierten Fight mit Jackie in einem Frauenkleid. Berühmt ist auch Jackies Kampf mit einem großen, weißen Fächer gegen ein Mitglied des Wai-Yee-Clans. In diesem gibt es eine Szene, in der Jackie mitten im Kampf den offenen Fächer in die Luft tritt und ihn nach mehreren Umdrehungen wieder fängt. Um diese Szene perfekt einzufangen, waren – je nach Erzählung – entweder 120, 329 oder gar über 500 Einstellungen nötig. Noch spektakulärer jedoch ist der 18-minütige finale Showdown gegen den Hapkido-Profi Hwang In-Shik (Kam), bei dem Jackie mehr Schläge kassiert als sein Gegner, und der zu den besten Kampfszenen der Actionfilm-Geschichte zählt. Unglaubliche eineinhalb Monate lang dauerten die Dreharbeiten für diesen legendären Fight. Die Cheoreographie all dieser Auseinandersetzungen ist äußerst beeindruckend, einfallsreich und oft sehr schnell, sodass man bei manchen Szenen zurückspulen und die Moves noch mal sehen will.

Kung-Fu-Filme hatten üblicherweise sehr kleine Budgets und wurden schnell abgedreht. Nach dem Dreh hatte man etwa 6 Kilometer Filmband, was etwa drei Stunden und vierzig Minuten an Rohmaterial entsprach, dass dann auf etwa 90-100 Minuten runtergeschnitten wurde. Jackie ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung der Filmgeschichte, aber auch, was das betrifft. Er war ein Workaholic und Perfektionist, der stets den bestmöglichen Film abliefern wollte und gewisse Actionszenen wieder und wieder drehte. Er lieferte oft bis zu 120 Kilometer Filmband ab, oder 73 Stunden Rohmaterial! Doch Golden Harvest stellte sich voll und ganz hinter das junge Talent, und ihr Investment zahlte sich dutzendfach aus.

Doch selbst Jackie hatte nicht so viel Macht, um die Verleiher davon zu überzeugen, dass The Young Master drei Stunden dauern sollte. Widerwillig kürzte er, zusammen mit einem Profi, den Film auf verträgliche und ökonomisch sinnvollere 106 Minuten hinunter. Am manchen Stellen wirkt er auch etwas zerstückelt. Leider wird in der finalen Fassung nicht ausreichend gezeigt, wie eng verbunden Dragon und Tiger sind, was Jackies Mission noch mehr Gewicht gegeben hätte. Auch Dragons immense Skills werden nicht im Voraus etabliert. Drache und Tiger sind übrigens Symbole des chinesischen Buddhismus. Der Tiger ist brutal und unnachgiebig, während der Drache seine Macht aus seiner Geduld und Weisheit bezieht.

Mit dem strengen, verbitterten Meister, der seine Schüler schimpft und schlägt, verarbeitete Jackie sehr ähnliche Erlebnisse, die er selbst als Schüler in der aus heutiger Sicht unmenschlich brutalen Pekingoper-Schule erlebte. Die Macht der Lehrer in diesen Einrichtungen ging sogar so weit, dass wenn dort jemand durch das enorm harte Training sterben sollte, die Lehrer nicht rechtlich belangt werden konnten. Yuen Biao war, wie auch Sammo Hung, einer der „Brüder“ und Mitschüler in Jackies Pekingoper-Zeit. In den früheren Filmen musste mans schon sehr genau hinsehen, wenn man in einer Gruppe den späteren Star Yuen Biao ausmachen wollte. Nach vielen Stunts und Micro-Auftritten hat er hier zum ersten Mal eine größere Nebenrolle.

Doch auch ein anderer Geist aus Jackies jüngerer Vergangenheit, mit dem er ebenso abschließen wollte wie mit seiner Pekingoper-Zeit, holte ihn bei der Produktion von The Young Master Ende der 1970er ein. Etwa zwei Drittel der Dreharbeiten waren abgeschlossen, da gab einen Fall von Brandstiftung. An einem anderen Tag wurde ein abgeschnittener Hundekopf am Set gefunden und es. Bald darauf klopften Mitglieder der Triaden – also der chinesischen Mafia – bei Jackie an. Das war zunächst nicht ungewöhnlich, denn die Triaden waren von Beginn an eng mit der Unterhaltungsindustrie verknüpft. Spätestens dann, wenn man im Hongkonger Filmbusiness in der A-Liga mitspielte, standen sie vor der Tür und wollten ein Stück vom Kuchen haben. Jackie war besorgt, dass die Männer Waffen oder gar Pistolen dabeihaben könnten, zeigte sich kooperativ und fuhr mit ihnen in ihrem Mercedes mit überklebten Nummerntafeln mit. Jackie wurde in das Büro von Lo Wei gebracht, seinem langjährigen Produzenten und Regisseur.

Lo beanspruchte für sich, Jackie entdeckt zu haben und war verärgert, dass er nun nicht mehr in seiner, sondern in einer höheren Liga spielte. Mit schriftlichen Verträgen nahm man es damals in der Hongkong-Filmindustrie nicht so genau, aber Lo Wei ging noch ein ganzes Stück weiter. Laut Jackies Autobiographie fälschte er den Vertrag des jungen Stars nachträglich und pochte darauf, dass Jackie sich daran halten müsse. Lo gab sich freundlich, drohte aber auch. Jackie wollte natürlich von Lo schon lange nichts mehr wissen. Erst durch Einschreiten des Bosses von Golden Harvest und von Jimmy Wang Yu, mit dem Jackie in The Killer Meteors auftrat und der angeblich, ebenso wie Lo Wei, Verbindungen zur Triaden-Welt hatte, wurde ein Kompromiss gefunden und der Disput mit dem verbitterten, alten Produzenten aus der Welt geschafft. Dass Lo Weis Produktionsfirma überhaupt in den Credits der nächsten Golden-Harvest-Produktion Dragon Lord (J.C. Marathon Nr. 17) aufscheint, wird wohl ein Teil dieses Kompromisses gewesen sein.

Es gibt auch eine Geschichte, wonach Wang Yu Lo Weis Büro stürmte und Jackies Vertrag zerriss. Wang Yu bestätigte das in einem Inverview viele Jahre später und sagte, er habe den Vertrag zuerst gestohlen, und danach zerrissen. Jackie spielte jedenfalls wenige Jahre später mit Wang Yu in Fantasy Mission Force mit und 1990 in dem von Wang Yu produzierten The Prisoner. Jackie nannte beide Filme in seiner Autobiographie „schrecklich“, sah es aber als Ehrensache an, seine Schuld gegenüber Wang Yu, der ihm die Triaden vom Hals schaffte, zu begleichen. Jackie konnte Lo Wei endlich hinter sich lassen und lieferte von nun an für Golden Harvest eine ganze Reihe von spektakulären Produktionen ab. The Young Master war nur der Anfang.
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