Jackie Chan Mega-Marathon XXI

Project A

Deutscher Titel: Der Superfighter
Originaltitel: ‚A‘ gai wak
Englischer Titel: Project A
Alternativtitel: Superfighter (dt.)
Erstveröffentlichung: 1983
Deutsche Erstveröffentlichung: 1988 (VHS-Video)
Laufzeit: 105 Min.
Empfohlene Heimversion: Britische Blu-ray von Eureka. 2K-restauriertes Bild und ein sehr gutes Interview mit dem britischen Filmjournalisten und -historiker Tony Rayns.

Jackies erste Produktion für Golden Harvest, The Young Master, war ein voller Erfolg. Der zweite Streich Dragon Lord war international gefragt, aber in Hongkong nicht der erhoffte Kassenschlager. Nach seinem noch viel bescheideneren USA-Ausflug The Big Brawl kam Jackie gedemütigt nach Hongkong zurück. Unzufrieden mit The Big Brawl, der im frühen 20. Jahrhundert spielt, wollte Jackie seinen eigenen Historienfilm drehen und damit seine erste Hollywood-Produktion in den Schatten stellen. Project A war die bis zu dem Zeitpunkt mit Abstand ambitionierteste Produktion, an der Jackie beteiligt war. Für den jungen Schauspieler und Filmemacher war es ein Prestigeprojekt und für Golden Harvest eine enorme finanzielle Investition. Das Projekt ging voll und ganz auf: Satte 19,3 Mio. HK-Dollar wurden eingespielt. Alle Beteiligten gaben ihr Bestes, um einen mitreißenden Ausnahmefilm zu schaffen, was man dem Film in jeder Sekunde ansieht.

Wir befinden uns in der britischen Kolonie Hongkong um das Jahr 1900. Piraten haben sich auf einer der vielen kleinen Inseln im südchinesischen Meer versteckt, plündern die Handelsrouten und entführen immer wieder Männer und Frauen. Korrupte, reiche Geschäftsleute in der Stadt machen gemeinsame Sachen mit den Seeräubern. Dragon Ma (Jackie) ist ein junger, aufgeweckter, ehrenhafter Sergeant bei der Küstenwache und lebt für seine Arbeit.

Zu Beginn des Films kommt es zu einer langen, wilden Kneipenschlägerei zwischen Marineleuten und Polizisten. Dragon kämpft dabei nach einer Provokation gegen den jungen Inspector Tzu (Yuen Biao) von der Polizei. Diese ist verärgert, weil Geld und Ressourcen für die erfolglose Piratenjagd „verschwendet“ werden. Zwei groß angelegte und kostspielige Missionen, den berüchtigten Piratenkapitän Lo San Pao zu finden und die Piraten zu schnappen, sind nämlich bereits gescheitert. Anlauf Nummer Drei, genannt „Project A“, soll nun endlich von Erfolg gekrönt werden. Dazu kommt es aber leider nicht. Nachdem auch noch sämtliche Schiffe im Hafen in die Luft gesprengt werden, wird die Küstenwache aufgelöst und in die militärisch geführte Festland-Polizei integriert. Dragon und seine Männer ordnen sich der strengen Disziplin ihres neuen Vorgesetzten Inspector Tzu unter.

Nach einem langen Training folgt der erste Einsatz: In einem reichen VIP-Club der Stadt sollen Dragon und Tzu mit ihren Polizeikollegen den bekannten Kriminellen Chou Kou festnehmen. Dieser liefert regelmäßig Informationen und Waffen an die Piraten und versteckt sich tatsächlich in einem Hinterzimmer des Clubs. Nach einem spektakulären Kampf wären Dragon und seine Freunde schon fast bis zu Chou Kou vorgedrungen, doch dann schreitet der Captain der Polizei ein. Seine Untergebenen hätten keinerlei Beweise, dass sich Chou Kou in dem Club aufhält, und er befiehlt ihnen, die Örtlichkeit sofort zu verlassen. Der rechtschaffene Dragon kann damit aber nicht leben, wirft seine Polizeimarke weg, schnappt sich Chou Kou aus dem Hinterzimmer, wirft ihn vor die Füße des Captains, schimpft über die Korruption innerhalb der Polizei und verlässt dann die Szene.

Sammo Hung als Fei

Fei (Sammo Hung) ist ein Dieb mit einem guten Herzen und Verbindungen zur Unterwelt, der seinem Freund Dragon immer wieder hilft. Das hat dieser auch bitter nötig, denn er macht auf eigene Faust weiter und muss sich gegen Chou Kous Männer wehren. 100 Polizeigewehre sollen an die Piraten geliefert werden und dann wird auch noch ein Admiral von ihnen entführt. Nachdem Dragon eine Brandrede vor seinem Oberbefehlshaber hält und darauf pocht, dass Deals und Appeasement-Politik gegen die Piraten nichts nützen, ist dieser überzeugt. Dragon wird wieder in den Polizeiapparat integriert und bekommt die Verantwortung dafür, Lo San Pao zu schnappen und alle Geiseln zu befreien. Sowohl die Küstenwache als auch Project A werden wiederbelebt. Die Mission heißt in einem Wort: Angriff.

Yuen Biao als Inspector Tzu

Nach einiger Undercover-Aktivität ist der Aufenthaltsort der Piraten ausgeforscht. Dragon, Tzu, Fei und ihre Kumpels landen auf der Insel, wollen sich zunächst um die Geiseln kümmern und dann alle Piratenschiffe in die Luft jagen. Sollte es zu einer direkten Konfrontation mit den Piraten kommen (und einmal dürft ihr raten, ob es dazu kommt), sollen diese neuartigen Handgranaten eingesetzt werden, die gerade frisch auf dem Markt kamen.

Wenn mir jemand sagen würde, dass er noch nie einen Jackie-Chan-Film gesehen hat, oder nur eine Handvoll seines Hollywood-Outputs, dann wäre Project A der erste Film, den ich ihm empfehlen würde. Nur wenige Jackie-Filme, wie Police Story oder Drunken Master II, kamen an diese hohe Messlatte jemals wieder heran. Gegenüber den früheren, typischeren Kung-Fu-Streifen hat der zugänglichere Project A auch den Vorteil, dass er von Golden Harvest mit einem internationalen Publikum im Kopf produziert wurde. Auch später in Hollywood, als die Filme viel höhere Budgets hatten, hat Jackie nie wieder einen annähernd so guten Film gemacht. Und falls ihr euch das fragt: Ja, es gab damals tatsächlich Piraten in und um Hongkong. Historisch akkurat bezüglich der Marinepolizei und anderen Dingen ist der Film aber nicht, was wohl niemand stören sollte.

Project A ist ein waschechter Eventfilm und ein schnelles, abenteuerliches Actionfeuerwerk, dass vor Energie und Einfallsreichtum sprüht. Jackie übernahm erneut Drehbuch und Regie. Der Film hat auch einen von Jackies berühmtesten und gefährlichsten Stunts, bei dem er Harold Lloyds Safety Last! nachahmt und sich für eine Szene dreimal von einem Uhrenturm fallen lässt. Alle drei Aufnahmen sind im Film enthalten, und man fragt sich, wie Jackie das überleben konnte. Bei der fehlgeschlagenen Aufnahme, die im Abspann gezeigt wird, brach er sich sämtliche Rippen. Auch sonst hat der Film eine enorme Dichte an Stunts. Die Mitglieder des Jackie Chan Stunt Teams, das wie ihr Namensgeber bei allen Versicherungsfirmen auf der schwarzen Liste steht, wollten sich offensichtlich gegenseitig übertrumpfen.

Weltkulturerbe

Die Kämpfe sind – wie auch in Winners & Sinners – nicht mehr wie ein Tanz, sondern wie ein harter Straßenkampf, der von Vollprofis ausgetragen wird. Bei den schnellen, harten Schlägen und all den anderen Actionszenen möchte man gar nicht blinzeln, damit man bei den irren Auseinandersetzungen keine hundert Millisekunden verpasst. Apropos menschliches Auge: Dieses erkennt von Computern generierte Bilder verdammt gut. Es ist schade, dass viele moderne Actionfilme mehr wie Videospiele aussehen. Bei Project A und all den anderen Jackie-Klassikern performen echte Menschen an echten Sets echte Kämpfe und echte Stunts, und es ist herrlich.

Und ich flehe euch an: Schaut euch den Film – zumindest nicht beim ersten Mal – mit der schrecklichen deutschen Klamauk-Synchronisation an (die auf der tollen Eureka-Blu-ray nicht vorhanden ist). Diese klingt nicht nur nicht gut, sie zieht den Film auch ins Lächerliche und macht aus dem gefürchteten Piratenkapitän, dem Endgegner des Films, eine Lachnummer mit norddeutschem Seemanns-Akzent. Sogar das sonst sehr strenge Lexikon des internationalen Films urteilte über den Film: „Eine perfekte Mischung aus brillanten Actionszenen und trockenem Humor, der in der miserablen Synchronisation zu Kalauern degradiert wurde.“ Also seid gescheit und wählt die originale, unverfälschte kantonesische Mono-Audiospur. Die kantonesische 5.1-Surround-Audiospur ist auch keine gute Wahl, denn bei dieser wurden Soundeffekte hinzugefügt und diese sind generell viel zu laut.

Wie viele seiner Landsmänner, die Project A zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres machten, war angeblich auch der japanische Kaiser Hirohito ein Fan des Films. Er wollte eine Fortsetzung sehen und so fühlte sich Jackie wohl verpflichtet, Project A Part II zu machen. Ich wünschte, irgendein Staatsoberhaupt hätte nach „Drunken Master III“ verlangt… Mit Project A hatte Jackie sein Potenzial zum ersten Mal zur vollen Entfaltung gebracht. Das britische Magazin Time Out wählte den Film auf Platz 25 der besten Actionfilme aller Zeiten. Ein zu niedriger Platz, wenn ihr mich fragt.

Bewertung:

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