Jackie Chan Mega-Marathon XXIV

The Protector

Deutscher Titel: Der Protector
Originaltitel: The Protector
Alternativtitel: Wai lung mang tam (HK)
Erstveröffentlichung: 1985
Deutsche Erstveröffentlichung: 1986
Laufzeit: 95 Min.
Empfohlene Heimversion: Die UK-Blu-ray von 88 Films ist die erste Version, die ein Remaster erhielt. Beide Fassungen (US-Cut und HK-Cut) sind enthalten und haben einen eigenen Audiokommentar.

Als der Partner von NYPD-Cop Billy Wong (Jackie) ermordet wird, leistet sich dieser eine spektakuläre Verfolgungsjagd und jagt den Täter in die Luft. Für diese Racheaktion kriegt er von seinem Captain die typische „Sei nicht so ein wilder Supercop, der Leute wegballert und alles in die Luft sprengt, sondern halte dich an die Regeln!“-Standpauke. Zusätzlich wird er auch noch zum Personenschutz verdonnert. Zusammen mit dem Italoamerikaner und Vietnamveteran Garoni (Danny Aiello) gibt er bei einem Event des reichen Geschäftsmannes Shapiro den Securitymann. Die zwei können jedoch nicht verhindern, dass Shapiros Tochter von einer Gruppe von bewaffneten, maskierten Männern entführt wird.

Der Drogen-Kingpin Mr. Ko soll einen geschäftlichen Disput mit Shapiro haben, und hat wahrscheinlich deswegen die unschuldige Tochter geschnappt. Ko schmuggelt im großen Stil Heroin von Hongkong nach New York, was jedoch nie bewiesen werden konnte. Billy Wong kennt als ehemaliger Hongkonger die Stadt und den berüchtigten Mr. Ko. Deshalb soll er zusammen mit Garoni in der Hafenstadt nach Shapiros Tochter suchen und, wenn möglich, Kos Operation aufdecken. Billy und Garoni machen nicht nur das, sie stürzen sich in ein wildes Action-Abenteuer, an dessen Ende sie sogar Kos gesamte Anlage in die Luft jagen.

Hier liegt ein absoluter Ausreißer in Jackies Filmografie vor. The Protector war nach dem missglückten The Big Brawl der zweite Versuch von Golden Harvest, den asiatischen Publikumsliebling in den USA zu etablieren. Dazu holte man sich den New Yorker Regisseur und Drehbuchautor James Glickenhaus, der zuvor mit dem berüchtigten The Exterminator erfolgreich war. Über diesen Exploitationfilm-artigen Selbstjustiz-Actioner habe ich in meinem ersten Buch Hollywood Justice geschrieben. Wie auch in The Exterminator genießt es Glickenhaus in The Protector, Gewaltszenen aneinanderzureihen, anstößige Szenen zu inszenieren, schäbige Orte zu filmen und schäbige Menschen auftreten zu lassen, die dann auf verschiedenste Arten erledigt werden.

The Protector ist ein vergleichsweise ernster Cop-Thriller mit einigen Brutalitäten, aber nicht besonders düster. Es ist ein komplett geradliniger, ehrlicher, ironiefreier Actionfilm ohne jegliche Subtilität oder Zwischentöne. Das macht ihn, trotz der banalen Handlung, eindimensionalen Figuren und äußerst schwachen Dialogen zu etwas Besonderem. Billys und Garonis Methode, Ko zu besiegen, besteht hauptsächlich darin, ihn zu provozieren und die daraus resultierenden Gefahrensituationen mit viel Action und Gewalt zu meistern. Dabei fallen auch sehr viele „F-Bombs“, wie sie die Amerikaner nennen – also das Wort „fuck“ in verschiedenen Variationen.

„Give me the fucking keys!“

Jackie sollte noch öfter Polizisten spielen, sowohl für Hongkong- als auch für Hollywood-Produktionen. Aber nie wieder spielte er so eine Figur oder lieferte einen Film ab, den man vom Stil auch nur ansatzweise mit The Protector vergleichen kann. Den familienfreundlichen Jackie als Hauptfigur in diesem harten, anrüchigen Film zu sehen und „Give me the fucking keys“ sagen zu hören, ist schon sehr einzigartig. Die Produzenten befanden, dass Jackie in The Big Brawl zu niedlich und brav gewesen sei. Diesmal sollte er ein taffer, Dirty Harry-esquer Bulle sein. Lustig, dass Billy Wong seit zehn Jahren in den USA lebt, und trotzdem noch nicht ordentlich Englisch sprechen kann. Jackie tat sich damals noch sehr schwer mit der englischen Sprache.

The Protector wirkt ein wenig, als hätte man einem Computeralgorithmus die Stichwörter „1980er“, „US-Film“, „Hongkong-Trip“, „Actionklischees“, „brutal“ und „nackte Frauen“ gegeben und befohlen, daraus ein Drehbuch für einen 90-Minüter zu schreiben. Der Film ist so typisch, so ehrlich und so direkt, dass es fast schon kitschig ist. Glickenhaus war nie ein großer Künstler vor dem Herrn, aber ein guter Handwerker. Und ich schätze ihn dafür, mit wie viel Begeisterung er seine vielen Actionszenen inszeniert hat. The Protector ist visuell ansprechend aus und hat ein urbanes, realistisches Flair. New York und besonders Hongkong wurden sehr schön eingefangen. Apropos Kitsch: Synthie-Musik ist natürlich auch mit dabei und die Kirsche oben drauf ist der Schunkel-Country-Song, der über dem Abspann gespielt wird. Komponiert und performt wurde „One Up For The Good Guys“ von Chip Taylor, der den 1960er-Klassiker „Wild Thing“ für The Troggs schrieb.

Jackie schrieb in seiner Autobiographie sinngemäß: „The Big Brawl war ein Fehler, aber The Protector war eine Katastrophe.“ Er hasste den Film und Glickenhaus. Jackie wollte, dass Golden Harvest den Regisseur feuert, aber dessen Vertrag war wasserdicht, also war nichts zu machen. Er beschwerte sich unter anderem darüber, dass Glickenhaus die Kampfszenen in nur vier Tagen drehte, während Jackie zu Hause in Hongkong niemals unter zwanzig Drehtage dafür aufwendete. Es stimmt, dass man es den wenigen, kurzen Kampfszenen anmerkt, dass man Jackie nicht wie sonst zehn Einstellungen oder mehr drehen ließ, sondern eben nur ein paar wenige. Äußerst verärgert über The Protector drehte und veröffentlichte Jackie noch im selben Jahr seinen eigenen Cop-Film Police Story (J.C. Marathon Nr. 27), einen seiner besten und legendärsten Filme. Und er schwor, dass wenn er jemals wieder versuchen sollte, in den USA Fuß zu fassen, dies nur als Jackie Chan tun würde, also auf seine Art und in seinem Stil, und nicht als Clint-Eastwood-Verschnitt mit etlichen Kompromissen.

Vor Police Story und lange vor seinem dritten Hollywood-Anlauf versuchte Jackie sein aktuelles Projekt The Protector, so gut er konnte, zu „retten.“ Er hatte genug Einfluss, um eine eigene Schnittfassung für den asiatischen Markt verlangen und realisieren zu können. Beide Versionen haben 30 Minuten exklusives Material, wobei die HK-Fassung drei Minuten kürzer ist. Ich habe mir beide nacheinander angesehen. Die chinesischen Dialoge sind nicht ganz so ruppig, Flüche und Kommentare wie „Nice tits“ wurden entfernt. Irgendwie schaffte es Jackie auch, alle nackten Frauen aus dem Film rauszuschneiden. Vor allem im Mittelteil wurden viele Szenen entfernt, geändert und sehr viel neu gedrehtes Material hinzugefügt. Es gibt sogar eine zusätzliche Nebenhandlung und Figur.

Ein ganz normaler Arbeitstag in Mr. Kos Drogenlabor

Besser ist das neue Material mit sehr wenigen Ausnahmen meiner Ansicht nach nicht. Zudem geht der gute Flow des US-Cuts verloren, aber auch da gibt es gegenteilige Meinungen. Der ohnehin recht flotte Film wird im HK-Cut noch schneller, die zusätzlichen Szenen bremsen dann aber wieder ab. Der Kampf gegen Bill „Superfoot“ Wallace im Finale ist jedoch in der HK-Fassung deutlich besser, schneller und dynamischer. Wenn ich mal die Motivation dafür finde, werde ich diesen Kampf und ein paar wenige Momente der HK-Fassung in den US-Cut reinschneiden und habe dann die perfekte Fassung des Films. The Protector war in den USA ein finanzielles Desaster und spielte weniger als eine Million USD ein. Jackies HK-Cut war deutlich erfolgreicher.

In den 1980ern herrschte in Deutschland noch eine rigorose, bevormundende Medienzensur unter dem Deckmantel des Jugendschutzes. Die originale US-Fassung von The Protector lief angeblich ungeschnitten in den deutschen Kinos, die VHS landete jedoch trotz Schnitten auf dem deutschen Index, also der Liste der jugendgefährdenden Medien. Warner Home Video veröffentlichte auch eine FSK-16-Fassung, die noch mehr verstümmelt war als die ohnehin bereits geschnittene FSK-18-Fassung. Erst 2005, zwanzig Jahre nach Erstveröffentlichung, erschien der Film erstmals ungeschnitten auf einer deutschen DVD.

The Protector gilt als Fehlschlag und wurde von Fans und Kritikern immer wieder gerne verrissen. Das schlechte Image hat sich der Film nicht verdient, finde ich. Wer auf typische 80er-Action aus den USA steht, sollte ihn sich zu Gemüte führen. Der vergleichsweise seichte The Big Brawl kommt nur mit Wohlwollen auf drei Sterne, der unterhaltsame The Protector hat sich jeden seiner vier Sterne redlich verdient, und fast einen fünften noch dazu.

Bewertung:

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