Filmjahr 1939 Marathon: Son of Frankenstein

Son of Frankenstein

Deutscher Titel: Frankensteins Sohn
Regie: Rowland V. Lee
Drehbuch: Wyllis Cooper
Nennenswerter Cast: Boris Karloff (das Monster), Bela Lugosi (Ygor), Basil Rathbone (Baron von Frankenstein)
Erstveröffentlichung: 13.1.1939
Deutsche Erstveröffentlichung: 18.2.1968 (TV)
Laufzeit: 99 Min.
Empfohlene Heimversion: Frankenstein – Die ultimative Monster-Collection von Koch Films bietet alle Filme der alten Reihe, zwei Synchronfassungen von Son of Frankenstein und einen Audiokommentar dazu.

Mary Shelleys Frankenstein gilt als bahnbrechend und war 1818 der erste richtige Science-Fiction-Roman. Der gleichnamige Film von 1931 gehört zu den einflussreichsten Horrorfilmen aller Zeiten und gab dem Monster ein Gesicht, das um die Welt ging. Es folgten noch zwei weitere Teile, in denen Boris Karloff das ikonische Monster Frankensteins spielte, nämlich Bride of Frankenstein und Son of Frankenstein. Die Figur war so beliebt, dass bis 1944 noch drei weitere Frankenstein-Teile erschienen. Später folgten die Parodien Bud Abbott and Lou Costello Meet Frankenstein (1948) und Mel Brooks‘ Young Frankenstein (1974, Frankenstein Junior). Zwischen 1957 und 1974 produzierte die britische Horror-Schmiede Hammer Films sieben Frankenstein-Filme, in sechs davon spielte Peter Cushing Baron Frankenstein. In jüngeren Jahren versuchte sich Shakespeare-Regisseur Kenneth Branagh an dem Stoff, wie auch andere, geringere Filmemacher.

Vor allem in den 1930ern produzierte Universal viele Horrorklassiker. Der beste von ihnen, sowohl technisch als auch inhaltlich, ist wohl Bride of Frankenstein, auch wenn die titelgebende Braut erst im Finale kurz auftritt. Das Original und Bride gelten zurecht als Klassiker. Im direkten Vergleich mit ihnen gebührt Son of Frankenstein eindeutig nur die Bronze-Medaille. Für sich genommen ist es aber dennoch ein kompetenter, alter Schocker und der letzte wirklich gute Frankenstein-Teil.

Die drei Filme spielen im 19. Jahrhundert in einer kleinen, ländlichen Stadt mit einfachen Leuten. Angeblich sollen wir uns in Bayern befinden, aber ich könnte schwören, dass in keinem der drei Filme jemals das Wort „Bavaria“ fällt. In Teil 1 sieht es tatsächlich sehr bayerisch aus, mit viel Landwirtschaft, Lederhosen und Bierkrügen. Da waren die Menschen noch fröhlich und tranken zu Ehren des „Burgomaster“ viel und gerne. Dann erschuf der versessene Wissenschaftler Frankenstein aus verschiedenen Leichenteilen und einem geklauten Gehirn, das unglücklicherweise einem Schwerkriminellen gehörte, einen neuen Menschen. Dieser wurde mit aus Blitzen gewonnener Elektrizität zum Leben erweckt und wirbelte die bäuerliche Gemeinde auf.

In Son of Frankenstein sieht es in der kleinen Stadt mittlerweile noch düsterer aus als jemals zuvor. Dass man den Ort in Teil 3 plötzlich Frankenstein getauft hat, war für den Tourismus nicht förderlich. Das Monster wurde angeblich vernichtet, dennoch gab es in letzter Zeit wieder einige mysteriöse Morde. Noch immer hängt über dem Ort der Fluch vergangener Tage. Baron Wolf Frankenstein (Basil Rathbone) ist ganz der Papa. Wie auch sein Vater ist er intelligent und versessen. Er reist mit seiner Frau und seinem knuffigen, jungen Sohn mit dem Zug in die Stadt, die seinen Namen trägt und zieht dort ins alte Familienschloss ein. Von den Bürgern der trostlosen, verregneten, scheinbar gottverlassenen Stadt schlägt ihm schnell Abneigung und Feindseligkeit entgegen. Niemand der Ortsansässigen wollte auf Schloss Frankenstein arbeiten, also musste eine Handvoll Tiroler dorthin migrieren.

Wolf brennt für die wissenschaftlichen Theorien und Aufzeichnungen seines Vaters und beschließt, den Familiennamen nicht nur reinzuwaschen, sondern zur Legende zu machen. Er ist der Meinung, dass sein Vater bei dem Experiment, das dem Monster Leben gab, nicht nur Elektrizität vom Himmel geholt hat, sondern auch kosmische Strahlen mit einer Art „Urenergie“ mit dabei waren. Und die Sache mit dem kriminellen Gehirn war ja nicht seine Schuld. Wolf trifft auf Ygor (Bela Lugosi), einen merkwürdigen, launigen Grabräuber mit gebrochenem Genick, das er sich bei einer missglückten Erhängung geholt hat. Insgeheim sinnt Ygor auf Rache und will die Verantwortlichen leiden sehen. Er stellt dem neuen Schlossherren seinen BFF vor, der Kreation seines Vaters. Frankenstein Junior ist fasziniert von dem übermenschlichen Riesen und will ihn, so wie Ygor, kontrollieren können.

Das Monster hat überlebt, obwohl zwei Kugeln in seinem Herz stecken, liegt aber in einem Koma. Also macht sich der neue Baron an die Arbeit. Die hasserfüllten Oberen im Ratshaus zitieren Ygor zu sich und wollen wissen, was es mit dem neuen Baron Frankenstein auf sich hat und warum so viel Equipment ins Schloss geliefert wird. Ygor verhöhnt den Burgomaster und seine Leute und erinnert sie daran, dass bereits gerichtlich beschlossen wurde, dass man ihn kein zweites Mal aufknüpfen darf, auch wenn er sein Todesurteil überlebt hat.

Diese Filme haben auch thematisch einiges anzubieten: Wissenschaftler, die Götter spielen; Mob-Mentalität; Angst vor dem Fremden; kindliche Unschuld und erwachsene Bösartigkeit. Es scheint auch so, als wäre den Filmemachern in den 1930ern aufgefallen, dass in deutschen Gefilden nicht alles koscher ist und sich dunkle Abgründe auftun. Frankensteins Monster ist vor allem deshalb eines der besten Filmmonster, weil es nuanciert dargestellt wird. Als eine schier unzerstörbare, mordende Kreatur und gleichzeitig unschuldig und verletzlich. Es ist nur ein Monster, weil die Menschen ihn dazu gemacht haben. In Bride war es intelligenter und hat sogar ein wenig gesprochen, Son rudert da leider wieder zurück. Der Riese spricht nicht mehr und lässt sich obendrein vom kriminellen Wicht Ygor kontrollieren. In den ersten zwei Filmen war das Monster noch eine treibende Kraft der Handlung und keine bloße Marionette.

Mit Fortlaufen der Reihe geriet das titelgebende Monster immer mehr in den Hintergrund. Die ersten drei Filme beinhalten alle ein humoristisches Element, nach Son of Frankenstein driftet die Reihe dann noch mehr ins Parodistische ab, was offenbar eine Unvermeidlichkeit jeder längeren Filmreihe ist. Wolf sagt, dass 9 von 10 Menschen das Monster Frankenstein nennen, anstatt „Frankeinsteins Monster“. Sowohl in der Welt des Films als auch in unserer ist der Name ein Synonym für Horror und Monster geworden. Bis heute existiert dieser Running Gag, dass Film-Snobs oder Horror-Fans es angeblich nicht aushalten würden, wenn man das Monster „Frankenstein“ nennt. Ich kann mich erinnern, als ein Typ in einem Uni-Seminar einen zu Horrorfilmen vortragenden Kommilitonen unterbrach und ihn dahingehend korrigierte.

Die Figuren sprechen in einem gehobenen Stil und mit britischem Akzent. Business as usual für einen Film dieser Zeit. Der strenge und scharfsinnige Inspector, dem vom Monster eine Militärkarriere zunichtegemacht wurde als es ihm einen Arm abriss, ist ein neuer, guter Charakter, der noch am ehesten „deutsch“ ist. Die Architektur von Schloss Frankenstein, wo ein Großteil der Handlung stattfindet, ist noch etwas bizarrer als die Gebäude und Szenerien in den vorigen zwei Filmen und erinnert erneut an den deutschen expressionistischen Film der 1920er.

Nach dem enormen Erfolg des Marvel Cinematic Universe wollte Universal das „Dark Universe“ erschaffen und ihre alten Monster wiederbeleben. Nachdem man mit The Mummy (Die Mumie, 2017) mit Tom Cruise aber eine Bauchlandung hinlegte, wurde das Megaprojekt wieder auf Eis gelegt. Also gab es leider keinen Javier Bardem als Frankensteins Monster und keinen Johnny Depp als den Invisible Man. The Invisible Man wurde dann 2020 als eigenständige Geschichte ohne Universum-Verknüpfungen veröffentlicht und war einer der letzten guten Filme, bevor die Kinos aufgrund der Pandemie zusperren mussten. Universal nahm sich lange, lange vor allen anderen in Hollywood ein Beispiel an Comics und lies seine Ikonen aufeinandertreffen. 1943 erschien Frankenstein Meets the Wolf Man und 1944 trafen in House of Frankenstein Frankensteins Monster, Wolf Man und Dracula aufeinander.

Bride of Frankenstein war nicht nur der intelligentere und elegantere der ersten drei Filme, er war auch wilder und brutaler, während in Son of Frankenstein die Kamera bei Gewalt immer wieder wegschaut. Der Konflikt zwischen gottesfürchtigen, einfachen Leute und aufgeklärten, aber fehlgeleiteten Wissenschafter war in den vorigen zwei Filmen auch besser. Im direkten Vergleich kommt der Sohn nicht an seinen Vater heran. Für sich genommen ist es dennoch eine würdige Fortsetzung.

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