Batman 2022: Der maskierte Rächer in der Großstadthölle Gotham City

Lasst mich ein paar Zeilen zum großen Batman verlieren. Seit meiner Kindheit verfolgt er mich, besser gesagt: Ich verfolge ihn. In Filmen, Comics, Videospielen und TV-Serien. Unglaublich, dass es fast 10 Jahre her ist, seit die Nolan-Trilogie mit dem herausragenden, etwas unterschätzten The Dark Knight Rises (in dem ebenso Selina Kyle a.k.a. Catwoman auftritt) ihr Ende fand. Die Batman-Verfilmungen waren immer Events, jedenfalls seit Tim Burton 1989 die angestaubte Ikone mit Gothic-Ästhetik und Prince-Musik in die Neuzeit hievte. Unter Nolans Regie entstanden Pop-Meisterwerke, die endgültig klarmachten, dass Kino-Blockbuster auch smart und erwachsen sein dürfen, vielleicht sogar sein sollten.

© Warner Bros.

Die Dark Knight-Trilogie war mit intelligenten Drehbüchern gesegnet, in denen auch das Selbstjustizthema hervorragend verhandelt wurde. Darüber schreibe ich ausführlich in meinem Filmsachbuch Hollywood Justice. Nach ein paar doch sehr mäßigen Auftritten des dunklen Rächers in Batman v Superman: Dawn of Justice und dem ersten Kino-Cut von Justice League (Zack Synder’s Justice League ist die DEFINITIVE Version davon) ist er nun wieder in alter Form zurück. Bereits im Oktober 2014 wurde ein Batman-Solo-Projekt angekündigt. Zunächst sollte Ben Affleck Regie führen und die Hauptrolle übernehmen, dann nur noch die Hauptrolle. Später war er nur noch einer der Produzenten und am Ende komplett aus dem Projekt raus. Nach mehrmaligen Verzögerungen durch Covid-19 ist The Batman nun endlich da.

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Regie führe letztendlich Matt Reeves. Mit seinem Cloverfield konnte ich nix anfangen (Ich hasse Found-Footage-Filme) und seine Neuinterpretationen der Planet of the Apes-Filme interessierten mich wenig (Die alten Apes-Filme mag ich). Also hielt sich mein Hype diesmal etwas mehr in Grenzen. Dazu kam noch die Erinnerung an die schwachen Batman-Outings der letzten Jahre. Ich kann mir die Genesis dieses neuen, fast dreistündigen Mega-Projekts gut vorstellen. Irgendwo in einem Meeting hieß es sicher: „Leute, MARVEL hat den Markt mit „bunt und lustig“ saturiert. Lasst uns das genaue Gegenteil machen: Unser Batman ist Neo-Noir, düster und bierernst. Noch ernster als Nolan und er ist psychisch noch mehr gezeichnet.“ Und das hat sehr gut funktioniert. Die Dark Knight-Trilogie ist verdammt gutes Action-Drama, das stellenweise durch etwas Humor aufgelockert wird. Dieser Batman arbeitet dagegen komplett im Schatten und ebenso intensiv daran, „seine“ Stadt wieder ins Licht zu rücken, damit die Menschen das Vertrauen in ihre Institutionen wiedergewinnen.

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Ausgangslage ist eine für Batman-Universum sehr typische und vertraute: Wieder ist Gotham City eine leidende Stadt am Abgrund, in der die Politikerriege und Polizei schwer korrupt sind und sich Mafiafamilien die Stadt aufteilen. Wieder will Bruce Wayne die philanthropische Arbeit seines „Stützpfeiler der Community“-Vaters fortsetzen, jedoch mit physischer Gewalt. Von der Handlung will ich euch nicht viel verraten. Batman ging in den Filmen (im Gegensatz zur großartigen Animated Series) nie wirklich einer Arbeit als Detektiv nach, was seine eigentliche Berufung ist. Diesmal wühlt er tief in den verdorbenen Eingeweiden seiner Stadt und entdeckt eine Verschwörung, in die sogar seine einflussreiche Vorzeige-Familie involviert ist. Reeves Film orientiert sich noch mehr am Stil und an Plot Points klassischer Comic-Geschichten als Nolan. Während die Story sich sehr, sehr gut aufbaut, sind die Dialoge nicht so smart wie in der Dark Knight-Trilogie und vermissen deren Finesse.

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Schauspielerisch ist The Batman bis in kleinste Nebenrollen perfekt besetzt. Einzig Andy Serkis hat als Alfred wenig zu tun und ist eher „meh.“ Ich wusste auch nicht, dass Zoë Kravitz, die mir in ihren wenigen Nebenrollen nie auffiel, schauspielen kann und sich so *ähem* gut entwickelt hat. John Turturro ist ein hervorragender Carmine Falcone (in der Dark Knight-Trilogie von Tom Wilkinson dargestellt) und hat sogar ein wenig mehr screen time als der Pinguin, gespielt von einem nicht wiederzuerkennenden Colin Farrell. Jeffrey Wright (Felix Leiter in den Craig-Bondfilmen) und Paul Dano (There Will Be Blood) überzeugen ebenso.

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Michael Keaton erlebte in den letzten Jahren eine Karriere-Renaissance und soll sogar als alter Batman ins DC-Universum zurückkommen. Als er Ende der 80er als neuer Batman angekündigt wurde, war das Entsetzen groß. „Ein Comedy-Schauspieler als dunkler Ritter? Mr. Mom als Batman?! Skandal!“ Es gab sogar eine Petition, noch lange vor dem WWW. Bei der Christian-Bale-Ankündigung jubelte das Internet zurecht. Bei Ben „Batfleck“ Affleck war dann der Aufschrei noch größer als bei Keaton. Später waren sich eigentlich alle einig, dass Affleck noch das Beste an Batman v. Superman war. Vielleicht sollte man doch mehr darauf vertrauen, dass hochbezahlte Hollywood-Profis gute Entscheidungen treffen können. Der Backlash gegen Pattinson war überraschend gering, obwohl der schlanke Schauspieler bis heute vor allem mit der Teenie-Franchise Twilight in Verbindung gebracht wird. Pattinson hat den Zuschlag gekriegt, weil er Regisseur Reeves in seiner Rolle in Good Time überzeugte. Good Time ist übrigens ein feiner, kleiner Arthouse-Thriller von den Safdie-Brüdern, die mit Uncut Gems einen der besten, außergewöhnlichsten und aufregendsten Thriller der letzten zwanzig Jahre gemacht haben.

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Was haben sich die Leute bei Spider-Man 3 über Peter Parker lustig gemacht. „Emo-Spidey“ riefen sie in Horden und das nur, weil Parker in Teil 3 eine Phase hatte, in der seine Haare und seine schwarze Kleidung etwas an die damals verbreitete Emo-Kultur erinnerte. Was mich dazu bringt, dass Menschen oberflächliche Idioten sind. Denn Parker war das GENAUE Gegenteil eines Emo-Kinds: Selbstsicher, arrogant, protzig. Wohingegen in Bruce Wayne immer schon ein wenig „Emo“ steckte. Und noch nie mehr als hier: Bruce lächelt kein einziges Mal und zum ersten Mal verschwindet das schwarze Augen-Make-up nicht auf magische Weise, wenn er die Maske abnimmt. Pattinsons Bruce Wayne hält im Gegensatz zu Bales Figur keine Playboy-Fassade für die High Society mehr hoch und lebt noch mehr zurückgezogen. Als Pattinson in einer Szene mit finsterem Blick die Stiegen seines Schlosses hinaufging und ihm dabei die schwarzen Haare in sein bleiches Gesicht hingen, musste ich an Vampirfilme denken (Twilight-Alarm!). Die Darstellung des Charakters ist eine originalgetreue und Pattinson macht seine Sache sehr gut.

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Ganz unfeierlich wird der neue Rächer von Gotham diesmal eingeführt, im Gegensatz zu praktisch allen Batman-Filmen seit 1989. Spaziert in seiner kugelsicheren Rüstung aus der Dunkelheit und beginnt, auf eine kriminelle Jugendbande einzudreschen. Mit wenig Choreographie, dafür mit sehr viel „Wumms.“ Dieser erneute Reboot war sehr früh schon als Trilogie geplant, Pattinson selbst soll einen Vertrag für drei Filme unterzeichnet haben. Ich bin kein großer Fan von Noir, noch weniger von Neo-Noir. Ausnahmen bestätigen die Regel. The Batman ist pures Neo-Noir, dennoch habe ich jede Minute genossen und freue mich sehr darauf, wieder in diese düstere, verregnete, kaputte Welt eintauchen zu dürfen. Beim wiederholten Anschauen und bei der Fortsetzung. The Batman ist durch und durch ein Eventfilm, visuell vereinnahmend und pures Kino. Ich habe keinen Zweifel, dass er auch bei den Oscars dabei sein wird, auch wenn fraglich ist, ob er es in die drei großen und prestigeträchtigsten Kategorien (Regie, Buch, bester Film) schaffen wird.

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